„Wir machen Schluss mit dem angestaubten Gartenzwerg-Image“: Der Planet Hero Sonderpreisgewinner 2021 im Interview
Jährlich vergibt die Jury des Planet Hero Awards einen Sonderpreis für Klima- und Umweltschutzprojekte, die von Zurich Mitarbeitenden und Zurich Exklusiv-Partnern vorgeschlagen werden. CARBONARA, eine Initiative des Vereins der deutschen Schreberjugend, gewann 2021 den Titel auf Vorschlag von Jacqueline „Jacky“ Kulpe, die in zweiter Generation in Berlin eine Zurich Agentur leitet. Zusammen mit Tomas Kilousek, Bildungsreferent im Verband der Deutschen Schreberjugend räumt sie mit Vorurteilen über die Schrebergartenkultur auf und erzählt, wie man mit Pflanzenkohle das Klima rettet.
Tomas, CARBONARA ist eine Initiative der Deutschen Schreberjugend. Was hat es damit auf sich?
Tomas: Den Verein gibt es schon seit über hundertfünfzig Jahren. Damals gründeten Mitinitiatoren der Schreberbewegung den Jugendverband und schufen grüne Freiflächen für Kinder in Städten, die die sozialen Nachteile der Industrialisierung miterlebten. Später wurden die Flächen eingezäunt und es entstand das, was man heute noch gemeinhin als Schrebergarten kennt. Und seitdem ist die Schreberjugend als freier Träger der Jugendarbeit unterwegs mit dem Ziel, die Entwicklung von Jugendlichen auf verschiedensten Gebieten zu fördern. Es wird also nicht nur gemeinsam angepflanzt, sondern z.B. auch getanzt. Neben dem Bundesverband gibt es viele regionale Landesverbände.
…Gute Überleitung! Jacky, du bist in einem dieser Landesverbände ehrenamtlich engagiert. Wie wurdest du auf CARBONARA aufmerksam?
Jacky: Wie das so manchmal in Vereinen läuft: Wer sich als Erster bewegt, muss mitmachen (lacht). Und so bin ich irgendwie in die Nachhaltigkeits-AG gekommen, in der Thomas verschiedene Projekte des Bundesverbandes aus diesem Bereich vorgestellt hat, unter anderem 2019 auch CARBONARA. Nein, natürlich liegt mir das Thema Natur bei meiner ehrenamtlichen Arbeit im Landesverband sehr nahe: Wir haben zum Beispiel drei Kiezgärten, in denen wir mit Kindern und Jugendlichen Beete anpflanzen und achten generell auf das Thema Nachhaltigkeit in der Jugendbildung.
CARBONARA, bei dem Namen denkt man zuerst ja an eine italienische Nudelspezialität. Warum der Name?
Tomas: Wir experimentieren viel mit Ideen herum, wie wir gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen das Thema Nachhaltigkeit spielerisch aufgreifen können. Dabei sind wir auf Terra Preta, also eine Erde aus Pflanzen- und Kohleresten gestoßen. Tatsächlich haben wir das Projekt nach einem italienischen Nudelgericht benannt, dass damals Köhler sich kochten. Da wir ebenso wie die Köhler auch mit Kohle, Carbonverbindungen aus regenerativem Abfall, arbeiten, also der Name „CARBONARA“. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen: Wir sammeln Gehölzschnitt, verkohlen dieses bei ca. 450 Grad in Feuertonnen zu Kohle. Diese Pflanzenkohle arbeiten wir anschließend in den Kompost ein. Wenn dieser durchgerottet ist, verwenden wir das daraus entstandene Substrat als Pflanzenerde in unseren Hochbeeten. Das hat gleich zwei große Vorteile: Der Kohlenstoff, der im Gehölz ist, kann auf diese Weise über mehrere Hundert Jahre im Boden gebunden werden, was somit gut fürs Klima ist. Zweitens ist die Pflanzenkohle auch aus gärtnerischer Sicht ein echt tolles Substrat. Wir hatten so etwa das Doppelte an Gemüse geerntet als in den Jahren zuvor mit herkömmlicher Pflanzenerde.
Das klingt erst einmal nach einer kreativen Aktion, aber was glaubt ihr, könnt ihr damit bewegen?
Tomas: In Deutschland gibt es rund 15.000 Kleingartenanlagen, Platz also für theoretisch 15.000 Öfen, mit denen wir eine wahnsinnig große Menge an CO2 binden könnten. Hier mal ein kleines Rechenexempel: Allein bei einer Holzschnittverbrennung stellen wir rund 50 kg Pflanzenkohle her, in der etwa rund 66 Kg CO2 gebunden werden. Zum Vergleich: Ein Opel Corsa erzeugt etwa 124g CO2 pro Kilometer. Ein Brennvorgang (66KG CO2) bindet damit etwa den Ausstoß von 530 Km, das entspricht der Strecke Berlin-Dortmund. Jetzt stellen wir uns vor, jede der 15.000 Kleingartenanlagen hätte eine Pyrolyseofen, der dreimal pro Jahr Kohle machen würde. Bei nur 50 l Kohle pro Durchgang werden so (15.000 Kleingärten x 3 Brennvorgänge x 66 Kg) 2.970.000 Kg CO2-gebunden. Also rund 3.000 Tonnen! Und mit mehr Holzschnitt, lässt sich diese Zahl noch deutlich erhöhen.
Was waren die bisherigen Projektschritte, die ihr gemeistert habt?
Tomas: Zunächst hatte ich die AG Geoökologie von der Freien Universität Berlin kontaktiert, die bereits Studien mit TerraPreta durchführten und mir alles Wichtige, vom richtigen Verbrennen der Pflanzenreste über die Weiterverwendung der Kohle gezeigt und erklärt haben. Mit dem Lastenfahrrad habe ich dann zwei Säcke Kohle, die ich geschenkt bekam, eingeladen und dann in den Hochbeeten unserer Geschäftsstelle eingearbeitet und war sehr überrascht, wie toll das Gemüse gewachsen ist. Und dann haben wir viel ausprobiert und die erste Kohlechargen hergestellt und als wir dann die Herstellungsschritte verinnerlicht hatten, haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir diese Idee gut an Dritte weitergeben könnten. Über Artikel in Kleingartenzeitschriften, Klimaseminare und über den Planet Hero Award haben wir an Bekanntheit gewonnen und die Anfragen nach den Pyrolyseöfen häufen sich. Inzwischen merken wir, dass wir Multiplikatoren brauchen, das heißt noch mehr Freiwillige, die z.B. in kleinen Seminaren die Funktionen der Öfen erklären, um die Nachfragen bewältigen zu können.
Wie wollt ihr das Preisgeld einsetzen und wie unterstützt euch Zurich darüber hinaus?
Jacky: Unser Ziel, für das wir auch das Zurich Preisgeld einsetzten wollen, ist es, CARBONARA größer zu machen. Mithilfe des Zurich Preisgeldes wollen einen eigenen Feuerofen entwickeln und daraus ein erschwingliches Serienmodell machen, dass sich jeder gut für den eigenen Garten leisten kann. Hier unterstützt uns auch unser Projektpate Jawed Barna. Sein Team sucht gerade für uns nach einem Kaminbauer, der eine solche Feuertonne kostengünstig in großer Stückzahl produzieren kann. Damit Zurich weiß, was wir benötigen, hat Tomas dazu einen Anforderungskatalog erstellt. Jetzt im April haben wir außerdem einen gemeinsamen Termin mit Zurich, wo wir vor Ort in Berlin zeigen, wie wir die Kohle herstellen. Wichtig ist es uns dabei, unser Wissen und unsere Erfahrungen hier kostenfrei weiterzugeben. Deshalb wollen wir die fertige Bauanleitung für die Öfen für alle öffentlich zugänglich machen, sodass jeder, der TerraPreta in seinem Garten herstellen will, dies auch tun kann.
Manch einer verbindet mit den Schlagworten Kleingartenverein und Schrebergarten ja doch immer noch Gartenzwerge und ein eher angestaubtes Image. Was sagt ihr dazu?
Jacky: Ja, tatsächlich sind die meisten Kleingärtner keine alten verschrobenen Typen mit einem Gartenzwerg am Zaun. Von diesen Bildern sollte man sich nicht täuschen lassen. Inzwischen gab es einen großen Generationenwandel und viele junge Leute sind aktiv. Die Kleingartenvereine sind generell sehr divers, manche bloggen zum Beispiel, sind neugierig und wollen viele Sachen ausprobieren. Und darüber hinaus sind die Kleingärten als Klimasenke und als Rückzugsorte für Tiere innerhalb der Städte sehr wichtig. Das, finde ich, sollte in der Öffentlichkeit mehr gesehen werden.