Meine Heimat Wuhan – Ein etwas anderer Blickwinkel

Meine Heimat Wuhan – Ein etwas anderer Blickwinkel

„Ich bin eine Wuhanesin“, sage ich immer. Mein Name ist Wen. Ich arbeite bei der Zurich Versicherung in der Sachversicherung im Pricing. Ich bin in Wuhan geboren und dort groß geworden. Nicht nur wegen meiner 17 Jahre in Wuhan, sondern auch weil dort noch immer meine Familie und Freunde leben, habe ich eine tiefe Verbundenheit zu der Stadt.

Ernste Lage in Wuhan

Mein letzter Besuch war im April 2017. Damals habe ich die alte Heimat mit meinem ersten Kind und Mann besucht. Die nächsten Jahre kam immer wieder etwas dazwischen, deshalb habe ich mich so sehr gefreut, als ich Flugtickets für meine ganze Familie für April 2020 gebucht habe. In den nächsten Nächten habe ich nur von Wuhan geträumt: Ein Treffen mit Oma, Opa und meinen Freunden, das leckere Essen, usw. Dann zwei Wochen später, kam die erste Warnung: Achtung, Lungenkrankheit in Wuhan! Zunächst waren es nur paar Messages aus meinem Freundeskreis. Kurz danach kamen tausende Nachrichten: Coronavirus! Und das kurz vor dem chinesischen Neujahr – das wichtigste Fest in China, etwa so wie Weihnacht hierzulande. Ein Tag vor dem chinesischen Neujahrsfest wurde Wuhan abgeriegelt. Kein öffentlicher Verkehr, keiner darf ausreisen. Erst an diesem Punkt habe ich realisiert, wie ernst die Lage in Wuhan tatsächlich ist.

Wuhan, eine Stadt im Herzen des Landes

Panoramablick auf Yangtze Brücke und den Gelber-Kranich-Turm. Credit: Renmin Daily.

Durch die Flüsse Yangtse und Han ist Wuhan in drei Stadtteile geteilt. Die Stadt besitzt das größte Verkehrsnetz – über Land, Luft und Wasser – in ganz China. In ihr leben allein mehr als 1 Million Studenten.

Wie vor den Feiertagen zum chinesischen Neujahr üblich, haben mehrere Millionen Menschen die Stadt verlassen, um in den Ferien nach Hause in ihre Heimatregionen zu fahren. Leider war es medizinisch zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann und so stark ansteckend ist. Auch die Inkubationszeit kann bis zu 14 Tage ohne Symptome andauern. So haben die Leute, wie es scheint, leider ohne es zu wissen das Virus in ganz China verbreitet.

Gemeinsam die Ausnahmesituation meistern

Normalerweise treffen meine Familie mütterlicherseits und väterlicherseits sich kurz vor dem Neujahr und gehen zusammen ins Restaurant. Wenn sie so zusammensaßen, haben sie uns immer tolle Bilder geschickt, vor allem vom leckeren Essen. Dieses Jahr ist alles anderes. Das Festessen fand nicht statt. Meine Verwandten haben paarweise zuhause „gefeiert“. Alle aus meinem Bekanntenkreis bleiben seitdem möglichst zuhause. Trotz der Quarantäne ist man nicht gänzlich isoliert. Über das Internet sind Familien und Freunde verbunden und gut informiert zum neusten Stand.

Ein guter Schulfreund von mir ist einer der Ärzte, der Patienten mit dem Coronavirus behandelt

 

Die Stadt Wuhan ist seitdem leer gefegt. Dort, wo sich sonst immer viele Menschen aufhielten, ist nun kaum jemand zu sehen. Gleichzeitig arbeiten die Leute mit hoher Motivation und Druck auf den Baustellen, um innerhalb weniger Tage neue Krankenhäuser entstehen zu lassen – dabei haben sie eigentlich noch Ferien. In den Fabriken für Mundschutz, Schutzanzügen, Schutzbrillen, usw. kehren die Arbeiter ebenfalls freiwillig frühzeitig aus den Ferien zurück. Die Ärzte und Krankenschwester – normale Menschen, wie wir – beschützen nun alle Patienten wie Schutzengel. Unter dem luftdichten Anzug, nur Schweiß; am Gesicht, schmerzhafte Abdrücke von Atemschutzmasken. Jeder Wuhanese tut sein Bestens für die Stadt.

Leben in der Quarantäne

Meine Familie und Freunde vor Ort halten mich ständig auf dem Laufenden und geben Einblicke wie das Leben in Wuhan seit der Quarantäne aussieht. So sind die Supermärkte großenteils ganz normal geöffnet – mit ausreichendem Angebot. Es ist auch möglich online zu bestellen und die Einkäufe in der Nähe der Wohnung, ohne Kontakt zu Mitmenschen abzuholen. Überall wird regelmäßig desinfiziert. Jedoch bleiben die Kitas weiterhin geschlossen. Viele Schulen hingegen wissen sich zu helfen: Der Unterricht wird teilweise live per Videocam übertragen.

Positives auch in der Ausnahmesituation

Viele Familien nutzen die neugewonne Zeit und Gemeinschaft. Von meinen Bekannten höre ich viel Positives. Schließlich haben sie nun die Gelegenheit ihre Zeit sehr intensiv mit der Familie zu verbringen. Einige kommen ihren Hobbys nun stärker nach: Nun haben sie Zeit Rezepte zu studieren und in der eigenen Küche auszuprobieren. Statt Freunde zum gemeinsamen Essen einzuladen, posten sie jedoch nur Fotos der Gerichte im Internet.

Die Welt steht zusammen

Die Chinesen in der ganzen Welt stehen nun zusammen. In Deutschland haben chinesische Unterstützer rasch mehrere Geld- und Sachspende-Plattformen ins Leben gerufen, so dass die Spenden direkt zu den Krankenhäusern oder zum chinesischen roten Kreuz fließen können.

Innerhalb des Landes unterstützen alle übrigen Regionen die Provinz Hubei, die am schlimmsten betroffen ist. So kamen Anfang Februar innerhalb kürzester Zeit über 6000 Personen als medizinisches Personal in die Region Hubei, um vor Ort zu helfen. Auch weltweit erfährt China große Unterstützung. Die Solidarität breitet sich aus, schneller als das Coronavirus.

Credit: Xinhua/Wang Yuguo

 

Ich hoffe, dass wenn wir zukünftig über Wuhan reden, wir nicht nur über das Coronavirus sprechen, sondern auch, wie tapfer sich die Bewohner der Stadt gegen das Virus stellen und solidarisch zusammenstehen. Schließlich sollte die Welt auch nicht vergessen: Wuhan ist eine schöne, vielfältige und historische Stadt, mit einer einzigartigen Essenskultur.

Das Motto der Stadt Wuhan lautet nicht umsonst: „Wuhan, different everyday“

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Beitrag von:
Wen Zeng

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